Panettone aus der Gefängnisbäckerei in Padua

Mörder und andere Schwerverbrecher backen in Padua mit die besten Panettoni Italiens; selbst der Papst isst den Kuchen.
Für die Häftlinge ist die Arbeit ein ungewöhnliches Privileg. Denn es gibt einen Unterschied zu deutschen Gefängnissen.
 

Auch über das große Restaurant in Kreuzberg, das 1994 folgte, erzählt er. Über seine beiden Töchter und seinen Sohn und deren Pläne, im Prenzlauer Berg ein Fischlokalzu eröffnen. Ohne den Vater allerdings: Farruggio lebt heute in einem Hochsicherheitsgefängnis am Stadtrand von Padua. Hohe Mauern, Stacheldraht, drei Sicherheitsschleusen und ein halbes Dutzend schwerer Gittertüren trennen ihn von der Familie und dem Rest der Welt.

Farruggios Leben hinter Gittern folgt einem festen Rhythmus: Frühmorgens aufstehen, waschen, frühstücken. Und um 8.30 Uhr fängt er an, mit anderen Häftlingen Kuchenteig zu kneten. Denn im Gefängnis an der Landstraße Via Due Palazzi befindet sich eine der besten Panettone-Bäckereien Italiens.

In Italien arbeiten nur wenige Häftlinge

Die Pasticceria Giotto gewinnt regelmäßig die renommiertesten Preise für die von Schwerverbrechern gebackenen süßen Brote. Das Unternehmen wirbt auch mit der besonderen Herkunft der weihnachtlichen Kuchen: „Der Panettone aus dem Gefängnis von Padua“ steht auf den edlen Kartons.

In Deutschland ist es normal, dass Gefangene arbeiten; die rund 51.000 Häftlinge hierzulande sind in der Regel dazu verpflichtet. In Italien dagegen ist Arbeit hinter Gittern die Ausnahme. Nur rund 1000 von 60.000 Häftlingen in italienischen Gefängnissen haben einen geregelten Arbeitstag.

Und während hierzulande darüber diskutiert wird, dass der Staat für Häftlinge nicht in die Rentenkasse einzahlt und sogar eine Gefangenen-Gewerkschaft für die Rechte arbeitender Inhaftierter kämpft, gilt es in Italien bereits als Errungenschaft, dass die Betroffenen überhaupt arbeiten können.

70.000 Panettoni sowie Kekse, Grissini und frische Patisserie

Dass diese Anstalt wie die meisten italienischen Gefängnisse überfüllt war, machte die Sache nicht besser. In die neun Quadratmeter große Zelle waren drei Betten gezwängt worden, eine Toilette und eine Waschgelegenheit – Platz, um sich zu bewegen, gab es nicht.

„Hierherzukommen war eine Befreiung“, sagt Farruggio. „Hier ist alles offen, hier habe ich Luft zum Atmen, und ich kann mit anderen reden.“ Er steht in einem der gefliesten Räume der Bäckerei, direkt vor den beiden großen Rührmaschinen, in denen der Teig für die Panettoni gerührt wird. Mehl, Zucker, Hefe, sehr viel Butter, Rosinen und kandierte Früchte – daraus wird die klassische Variante der süßen Weihnachtsbrote gemacht. In Italien ist ein traditionelles Weihnachtsfest ohne Panettone kaum vorstellbar.

Das Besondere an den Kuchen, die hier entstehen, ist die Handarbeit. Giotto produziert in diesem Gefängnis mit 40 Gefangenen und zehn externen Bäckermeistern und Managern dieses Jahr 70.000 Panettoni – neben anderem Backwerk wie feinen Keksen, Grissini und frischer Patisserie. „Jedes andere Unternehmen würde ab einer Produktion von 10.000 Panettoni auf maschinelle Produktion umsteigen, sagt Marketingchef Roberto Polito. „Dass wir hier Handarbeit nutzen, macht unsere Produkte zu etwas Besonderem.“

Trotzdem gebe es in der Bäckerei keine Dumping-Bedingungen, sagt Polito. Die Arbeit in einem Hochsicherheitsgefängnis treibe die Kosten: Bis zu einer Stunde kann es dauern, bis ein Lieferant oder ein Lkw mit fertigen Kuchen von den Sicherheitskräften abgefertigt ist. Zudem sei die Arbeit mit den Häftlingen schwierig. Sie müssten angelernt werden, die Fluktuation sei hoch, und viele müssten erst einmal daran gewöhnt werden, früh aufzustehen, am Arbeitsplatz durchzuhalten und auf Anweisungen der Bäckermeister zu hören.

Nur zwei Prozent der Häftlinge werden rückfällig

Die Häftlinge bekommen einen Lohn, der etwas niedriger ist als Gehälter, die außerhalb des Gefängnisses für ähnliche Tätigkeiten gezahlt werden. Rund 1000 Euro sind es im Monat, die auf ein Konto im Gefängnis gehen. Auch in die Rentenkasse wird für die Betroffenen eingezahlt. „Wenn wir den Menschen nichts zahlen würden, wäre es auch kein richtiger Job, sondern nur ein Hobby“, sagt Polito. „Und das wäre würdelos.“

Pasquale Casile schickt von seinem Gehalt regelmäßig Geld an seine Frau und seine beiden Söhne. „Das ist gutes Geld, das ich hier verdiene“, sagt er, nachdem er die Tülle abgesetzt hat, mit der er gerade noch Creme in kleine Locken gespritzt hat. Der gelernte Schlosser gilt nach acht Jahren in der Bäckerei als Experte für feine Patisserie, für Rum-getränkte Baba etwa oder Mini-Windbeutel. „Die Tätigkeit hier ist gut für mich“, sagt der 45-Jährige. „Sie zwingt mich, mit dem Kopf immer bei der Arbeit zu sein. Und das hilft mir, nicht immer an meine Familie draußen zu denken.“

Pasticceria Giotto Pressefoto Wir sehen eine Gefängnis-Bäckerei in der Panettone gebacken wird Fotograf ist Riccardo Misinato im Auftrag von Pasticceria Giotto. Honorarfrei
WELT-Redakteur Tobias Kaiser (Mitte) in der Gefängnis-Bäckerei
Quelle: Riccardo Misinato

Als Casile 2007 verurteilt wurde, gingen seine beiden Söhne noch in die Grundschule, heute sind sie junge Erwachsene. Wenn er selbst das Gefängnis 2025 verlässt, ist er vielleicht schon Großvater. Dann will er in einer Konditorei anfangen. Die Aussichten dafür scheinen gut, zumindest, wenn man der Gefängnisleitung glaubt. Demnach würden lediglich zwei Prozent der Häftlinge, die in der Panettone-Bäckerei gearbeitet haben, nach der Entlassung wieder rückfällig. Der Durchschnitt in Italien liege bei 70 Prozent.

Der Anfang war allerdings schwer. Die gemeinnützige Kooperative, von der die Bäckerei betrieben wird, hatte Probleme, die Weihnachtskuchen aus dem Knast zu verkaufen. Auf Messen seien Verkaufsgespräche ganz schnell abgebrochen worden, wenn Interessenten erfuhren, dass Schwerverbrecher und Mörder die Spezialität gebacken hatten.

„Die Leute dachten, hier sei alles dreckig und unhygienisch“, erinnert sich Marketingleiter Polito. Heute wirbt Giotto offensiv mit der Herkunft und dürfte damit auch den prominentesten Kunden gewonnen haben: Papst Franziskus kauft jedes Jahr 200 der Kuchen, „für den ganzen Vatikan“, sagt Polito.

„Eine große Chance für meine Zukunft“

Wo es geht, sollen sich die Gefangenen weiterentwickeln. So wie der Sizilianer Giovanni Aseia. Er hat in der Bäckerei mit dem Mischen von Zutaten angefangen und sich dann hochgearbeitet. Heute hat er eine besondere Stellung: Überall in der Bäckerei wird geredet, gerufen und gelacht, aber hier in dem kalten gefliesten Raum, in dem Aseia mit einem älteren Mithäftling arbeitet, herrscht Ruhe.

Die beiden stellen hier feinste Pralinen her. Jetzt, am Ende des Vormittags, liegt die Produktion des Morgens akkurat auf Tabletts vor Aseia: Auf eine Sorte hat er ganz zuletzt in den noch halbflüssigen Überzug ein Stück Fenchelgewürz gelegt – ganz vorsichtig; immer in die linke obere Ecke.

Nur in der Zelle zu sitzen sei für ihn die Hölle gewesen, sagt er. „Ich war 24 Stunden da oben, und die Tage schienen endlos. Ich war die ganze Zeit melancholisch und habe einfach keine Zukunft mehr gesehen.“ Die Arbeit habe alles für ihn verändert. „Wenn ich arbeite, kann ich den nächsten Tag planen, jeder Tag ist anders, und ich bin motiviert“, sagt er.

Vor der Haft habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet, mal auf dem Bau, mal auf dem Feld. Dann habe er mit 22 Jahren einen „großen Fehler gemacht“. Das ist bereits 20 Jahre her. „Dank der Ausbildung habe ich zum ersten Mal einen richtigen Job, das ist für mich und meine Zukunft eine große Chance“, sagt Aseia. Auf die Frage, ob er nach der Entlassung auch als Patissier arbeiten will, reagiert er verdutzt. Erst beim zweiten Mal versteht er die Frage. „Ich habe lebenslänglich“, sagt er. „Und hier in Italien heißt das wirklich lebenslänglich. Ich werde das Gefängnis nie mehr verlassen.“

Text: Von Tobias Kaiser

Korrespondent in Brüssel
Welt
 

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Herzlichst Eure 

Elisabeth Pföstl

 


 
Tags: 2021

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